Das Hohe Venn im Fokus
Unterwegs mit Fotograf Guido Bertemes
Baumgerippe, wilde Natur, endlose Holzstege und ein leichter Nebel – melancholisch, mystisch und wunderbar entspannend ist eine Wanderung durchs riesige Hohe Venn. Hobbyfotograf Guido Bertemes ist gerne dort unterwegs und zeigt seine Lieblingsorte.
Text: Anna Monterroso Carneir Fotos: Udo Bernhart
Oft liegt Nebel über dem Moor im Hohen Venn. Aber es gibt auch Sommertage, an denen die Stimmung ganz heiter, der Himmel blau ist.
„Normalerweise sieht das hier ganz anders aus.“ Guido Bertemes schirmt seine Augen vor der strahlenden Sonne ab und blickt über die Landschaft. Er lacht ungläubig, schaut durch den Sucher seiner Kamera, fokussiert und macht ein Bild. „Sonst sieht man, wenn man Glück hat, bis zum übernächsten Baum“. Im Hohen Venn gibt es durchschnittlich 20 Sonnentage im Jahr. Heute ist einer davon.
Guido ist leidenschaftlicher Hobbyfotograf und hat schon an mehreren Bildbänden über das Hohe Venn mitgearbeitet. Immer wieder zieht es ihn bei seinen Streifzügen und Wanderungen an bestimmte Orte. Zu den Les Six Hêtres zum Beispiel, den „Sechs mächtigen Buchen“, unter denen früher die Schäfer des Venns ihre Rast machten. „Bei Nebel ist dieser Ort so schön mystisch“, findet Guido Bertemes. Aber auch im Sonnenschein sehen die mächtigen Äste der Buchen ein wenig aus wie Greifarme, die sich aus dem hohen Gräsermeer winden. Ein tolles Motiv, sagt Guido.
Hobbyfotograf Guido Bertemes faszinieren die unterschiedlichen Lichtstimmungen dieser wasserreichen Landschaft.
Im Sommer ist das Hohe Venn üppig grün. Das Hochplateau ist in Schutzzonen eingeteilt. Nicht alle Bereiche dürfen betreten werden.
Auf dem 5000 Hektar großen Hochplateau gibt es unzählige solcher Baumgerippe. Das Überleben im Hochmoor ist hart. Nach der letzten Eiszeit begannen sich hier Moore zu bilden, an manchen Stellen bis zu zehn Meter tief. Nass werden muss dort trotzdem keiner, ein riesiges Wegenetz zieht sich durch das Gebiet, das von Ostbelgien bis nach Nordrhein-Westfalen reicht. Nicht alle Wege dürfen jedoch ohne weiteres betreten werden. Das Venn ist in verschiedene Zonen gegliedert. B-Zonen sind für alle Besucher zugänglich. C-Zonen dürfen mit Guide betreten werden und D ist tabu.
Eine schaurig romantische Geschichte
Zu jeder Jahreszeit zeigt sich das Venn in einer anderen Farbe. Im Frühling sind die Torfmoosteppiche von den Blüten der Rosmarinheide und Moosbeere weiß-rosa getupft. Im Sommer schwimmen große Inseln gelber Ährenlilien über dem Moor, während das Gras ein saftiges Grün angenommen hat. Guidos Lieblingsjahreszeit ist jedoch der Herbst, wenn der Nebel zu Füßen der bunten Bäume liegt. Dann ist es hier wunderbar melancholisch, meint der Fotograf.
Wenn es dunkel wird oder sich Nebel über die Moorlandschaft legt, ist die Orientierung gar nicht mehr so einfach. Zum Glück gibt es einen Turm, der Wanderern den Weg weist. Früher haben auch eine Glocke und ein Leuchtfeuer Orientierung geboten – bis 1867 wurde die Glocke, die in der Kapelle Fischbach unweit der Gaststätte Baraque Michel hängt, bei Nebel und Schneesturm geläutet.
Baraque Michel liegt direkt am Wanderparkplatz. Von dort aus starten viele Rundwege ins Venn. „Auf der Rückkehr gehört eine Einkehr in die Gaststätte einfach dazu,“ schwärmt Guido, vor allem das selbst hergestellte Vennbrot und die Wildschweinbuletten mit Rotkohl müsse man probiert haben. Heute ist der Fotograf jedoch nicht wegen der traditionellen Küche hier, sondern wegen Marie und François, den tragischen Berühmtheiten des Venns. Der Rundweg zu den beiden beginnt an der Kapelle Fischbach.Obwohl der Weg sehr schön ist, scheinen Guidos Schritte schwerer geworden zu sein. „Die Geschichte von François und Marie ist eine voller Liebe und letztendlich voller Tragik,“ erzählt Guido und geht auf einen Grenzstein zu, neben dem ein großes Holzkreuz steht. Das junge Paar wollte in einer bitterkalten Januarnacht 1871 das Hohe Venn durchqueren, um die Hochzeitspapiere abzuholen. Aller Warnungen zum Trotz liefen sie in den Schneesturm hinaus, kamen vom Weg ab und erfroren. Der Ort, an dem das „Kreuz der Verlobten“ steht, soll der sein, an dem Marie starb. François, der Hilfe holen wollte, wurde etwa einhundert Meter davon entfernt gefunden. „Für mich ist das aber auch eine Geschichte voller Hoffnung, für die Liebe.“ Vielleicht ist das Croix des Fiancés auch deswegen mittlerweile zu einer Art kleinem Pilgerort im Venn geworden.
Obwohl das Croix des Fiancés in jedem Reiseführer erwähnt wird, ist der Ort ganz schlicht. Kennt man die Geschichte nicht, ist es bloß ein weiteres von den zahllosen Kreuzen im Hohen Venn. Noch ein Ort, der – wäre heute ein ganz normaler Tag im Venn – eine Gänsehaut verursachen würde. Aber die Sonne scheint immer noch.
Im Sommer ist das Gras im Hohen Venn saftig grün.
Der Aussichtsturm auf der Botrange ist Belgiens höchster Punkt.
Botrange in Belgien.
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