Franziska Consolati - Wo Wandern zur Meditation wird - Ostbelgien Zum Inhalt wechseln

Wo Wandern zur Meditation wird

Outdoor-Bloggerin Franziska Consolati unterwegs auf der Venntrilogie

„Gerade als ich dachte, schöner könnte es nicht mehr werden, ist ein neuer Tag auf der Venntrilogie angebrochen.“ Drei Tage lang war Franziska Consolati in ihrer Rolle als Outdoor-Bloggerin in den unterschiedlichen Landschaften des Venns unterwegs. Was sie an Ostbelgien besonders begeistert hat, nachdem sie auf Weitwanderwegen in ganz Europa unterwegs gewesen ist, erzählt sie in diesem Beitrag.

Text & Fotos: Franziska Consolati (ins-nirgendwo-bitte.de)

 Venntrilogie_Abschnitt_2a_01©Franziska_Consolati

Unter mir gluckert leise ein Bach. Sehen kann ich ihn nicht, weil er sich im dichten Schilf des Hochmoores versteckt, doch begleitet er mich an diesem Morgen schon seit mehreren Kilometern. Es wirkt fast surreal, das Gluckern des Bachs, weil die Landschaft ansonsten so reglos vor mir liegt.

Seit ich heute Morgen – ein paar Kilometer ist das nun her – im schönsten Herbstnebel losgelaufen bin, gleicht die Wanderung einer Meditation. Mein Blick ruht auf dem Holzbohlenweg, der mich sicher durch das Moor führt. Rechts und links sehe ich nur ein paar Dutzend Meter weit – der Rest der eigentlich so weiten Landschaft liegt im Nebel verborgen. Wie viel Platz die Weite hier hat, das weiß ich dennoch: Weil ich gestern meinen Blick in ihr verloren habe.

Es ist gerade einmal 24 Stunden her, dass ich die ersten Schritte in dieser einzigartigen Landschaft gesetzt habe. Eine Landschaft, die ich mir vorher nur vage habe vorstellen können. Schon gar nicht habe ich begreifen können, wie schnell sie mich in ihren Bann ziehen wird. Und das hat ganz bestimmt aber auch mit dem Weg zu tun, auf dem ich sie erkunden darf.

Vom Moor in den Märchenwald

Ich bin auf der Venntrilogie unterwegs. Einem 109 Kilometer langem Wanderweg, der durch die drei abwechslungsreichen Landschaften des Venns führt. Auf offiziell sechs Etappen passiert der Weitwanderweg magische Moorlandschaften, Märchenwälder, Heideflächen, Felder aus Farnen, Wasserfälle, Schluchten und endlos weite Ausblicke.

Während die Wanderung auf einigen Kilometern einer Meditation gleicht, wie gerade zum Beispiel, entlang des Holzbohlenwegs im Hohen Venn, ändert sich die Landschaft an anderen Stellen so plötzlich, dass ich mich dabei erwische, wie ich mich umdrehe und auf den hinter mir liegenden Abschnitt zurückblicke – weil ich kaum glauben kann, dass ich vor wenigen Metern noch gemütlich durch den Herbstwald spaziert bin, während sich der Weg vor mir abenteuerlich an einer steilen Felswand entschlag schlängelt.

 Venntrilogie_Abschnitt_2a_07©Franziska_Consolati
 Venntrilogie_Abschnitt_2a_06©Franziska_Consolati
 Venntrilogie_Abschnitt_2a_08©Franziska_Consolati

Im ältesten Naturschutzgebiet Walloniens

Gerade liegt das Venn flach vor mir. Mystisch. Märchenhaft. Vor über 100 Millionen Jahren erstreckte sich hier eine Gebirgskette. Die Torfmoore, die mich jetzt umgeben, haben sich auf den undurchlässigen Schieferböden des einstigen Bergkamms gebildet. Über mehrere Jahrtausende wurden die Gipfel abgetragen und formen heute dieses artenreiche Flachland, das sich während meiner Wanderung mehrmals wandelt. Heute steht das Hohe Venn mit einer Gesamtfläche von etwa 5.000 Hektar unter Naturschutz – seit 1957 schon. Das macht es zum ältesten Naturschutzgebiet Walloniens und ebenso zu einem der bekanntesten Naturgebiete Belgiens.

Obwohl es erst gestern war, fühlt sich mein Start in Eupen weiter weg an als er ist. Der Herbstmorgen lag ruhig vor mir, als ich aus den Gassen hinaus- und hinein in den Wald lief. Hier und dort zwitscherten ein paar Vögel, das Wasser des Flusses Hill gluckerte gemächlich, während ich seinem Lauf auf den ersten Kilometern folgte. Die Laubbäume hatten gerade begonnen, ihr Herbstkleid anzulegen. Abgefallen waren die Blätter noch nicht, dafür leuchteten die meisten in einem knalligen Orange. Die Bäume wurden schließlich immer kleiner, während die Gräser dafür umso höher wuchsen. Der von Wurzeln bewachsene Weg war immer öfter von Holzbohlen bedeckt, und mein Blick reichte plötzlich bis zum Horizont. Ich stand im Hochmoor des Wallonischen Venns. Die Gräser des Moors leuchteten in den schönsten Herbstfarben. Ich folgte ihm noch beinahe sieben Kilometer, bevor ich an meinem Ziel für diesen Tag ankam: dem höchsten Hotel Belgiens unmittelbar am Rande der Moorlandschaft.

Dort bin ich heute Morgen, vor wenigen Kilometern, losgelaufen. Und am liebsten würde ich sie festhalten, diese stillen Momente inmitten des Moors, das Gluckern des Bachs und den Nebel, der still auf meine Schultern hinab rieselt. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass das sich das Moor auf den nächsten Kilometern in einen Märchenwald verwandeln wird, wäre mir der Abschied sicher bedeutend leichter gefallen.

 Venntrilogie_Abschnitt_2a_14©Franziska_Consolati
 Venntrilogie_Abschnitt_3a_02©Franziska_Consolati

Das Land der Quellen

Der Waldboden ist über und über mit Moosen bewachsen, verschiedene Farne kräuseln sich zwischen den Baumstämmen und überall anders sprießen Pilze aus dem Boden. Mehrere Kilometer führen mich durch die Trôs-Marets-Schlucht, die auch als „Land der Quellen” bekannt ist. Hier ist der Weg besonders abwechslungsreich. Er führt auf kleinen Brücken über den Fluss und an steilen Felswänden oberhalb der Schlucht entlang. Der Trôs-Marets-Bach schlängelt sich durch das Tal, vorbei an felsigen Passagen, kleinen Wasserfällen und durch üppige Wälder. Ein kurzer Abschnitt, in dem sich der Bach besonders imposant durch die engen Felsen geschliffen hat, ist sogar mit einem Drahtseil versichert.

Der Kontrast zu meinem Morgen im Venn könnte größer nicht sein. Dabei liegt der nur wenige Stunden zurück und gerade einmal zehn Kilometer. Und wer hätte an diesem Punkt der Wanderung gedacht, dass sich die Landschaft noch mehr wandeln wird?

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 Venntrilogie_Abschnitt_2b_03©Franziska_Consolati
 Venntrilogie_Abschnitt_2b_01©Franziska_Consolati

Warchetal – wie im Bilderbuch

Der dritte Wandertag auf der Venntrilogie fühlt sich an wie eine neue Welt. Der Nebel hat sich über Nacht verzogen und Platz für einen strahlend blauen Herbsthimmel gemacht. Der Abschied von dieser Landschaft, die mich auf jedem Kilometer restlos begeistert, ist damit noch schwerer.

Laut der offiziellen Etappeneinteilung der Venntrilogie laufe ich an diesem Tag eine Kombination aus Etappe fünf und sechs: von Malmedy bis nach Bütgenbach. Die ersten Kilometer führen mich über den Kalvarienberg hinaus aus Malmedy und hinein in das Warchetal. Der Wald gibt hier immer wieder den Blick auf die Hügellandschaft frei. Als ich schließlich die Talsperre in Robertville erreiche, ändert sich auf der zweiten Hälfte dieser Etappe die Landschaft: Die endlosen Wälder des südlichen Venns lasse ich hinter mir und finde mich zwischen weiten Feldern wieder. Als ich die letzten Kilometer zwischen den Wiesen zurücklege und vor mir die Dächer Bütgenbachs auftauchen, wird mir bewusst, dass das Gefühl auf der Venntrilogie stets dasselbe geblieben ist, während sich die Landschaft mehrmals drastisch geändert hat. Das Gefühl, komplett in diese besonderen Naturräume einzutauchen und die Zeit dabei stillstehen zu lassen.

Ich denke, genau das ist es, was eine Wanderung auf der Venntrilogie so besonders macht: Dass uns diese derart abwechslungsreiche Landschaft, die nach der letzten Eiszeit vor über 10.000 Jahren entstanden ist, auf eine Zeitreise schickt – während wir parallel dazu jegliches Zeitgefühl verlieren. Selten spüre ich den gegenwärtigen Moment so deutlich wie auf dem Holzbohlenweg im Hohen Venn. Selten habe ich mich so gerne in einem üppigen Märchenwald verloren und war dabei ganz bei mir. Das mag ein wenig widersprüchlich klingen, erklären kann ich es nicht. Vielleicht ist genau das die Magie der Venntrilogie.

 Venntrilogie_Abschnitt_3b_01©Franziska_Consolati

Vier Fragen an die Bloggerin

Franziska, was hättest du am wenigsten erwartet?

Wie unglaublich viel Platz die Landschaft in Ostbelgien bekommt. Diese Weite hat mich einige Male sprachlos gemacht. Ganz oft habe ich angehalten und mich im Kreis gedreht, um das volle 360-Grad-Panorama aufzusaugen. Und jedes Mal habe ich es nicht glauben können, dass ich diese Landschaft in diesem Moment ganz für mich alleine erleben durfte. Das war auch etwas, das mich erstaunt hatte: Das ich sogar im Nationalpark kaum andere Wanderer getroffen habe. Das Wegenetz ist so gut ausgebaut und die Möglichkeiten so endlos, dass wir die Natur oft ganz für uns genießen dürfen.

Was empfiehlst du für die Anreise?

Für eine Wanderung, bei der Start und Ziel weit auseinander liegen, reise ich persönlich immer am liebsten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an – weil ich mir dann keine Gedanken um einen passenden Parkplatz machen muss und darüber, wie ich den nach der letzten Etappe wieder erreiche. Die An- und Abreise nach und von Ostbelgien hat mit öffentlichen Verkehrsmitteln ganz wunderbar funktioniert! Für Wanderer aus ganz Deutschland ist zum Beispiel der Bahnhof Aachen ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Von den belgischen Bahnhöfen Lüttich-Guillemins, Brüssel Süd und Gent-Sint-Pieters können Wanderer die Bahnhöfe Eupen und Verviers außerdem gut mit einem IC erreichen. Die Webseite des belgischen Transportwesens Tec ist bei der Planung eine große Hilfe.

Wie hast du dich auf die Wanderung vorbereitet?

Einerseits habe ich mich aufs Wandern natürlich mit Wandern vorbereitet. 😊 Was aber genauso geholfen hat wie eine allgemeine körperliche Fitness, war die Möglichkeit, mein Erlebnis auf der Venntrilogie genau auf meine Bedürfnisse anzupassen: mithilfe der Plan-your-Trip-Funktion auf ostbelgien.eu. Hier habe ich ausgewählt, wie viele Tage ich unterwegs sein möchte, wie viele Kilometer die einzelnen Distanzen haben sollen, und, dass Start und Ziel mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein sollen. Der interaktive Tourenplaner hat daraufhin die optimale Wanderung für mich erstellt. Inklusive einiger Serviceinformationen, zum Beispiel zur Wegbeschaffenheit und den nächstgelegenen Bushaltestellen und Bahnhöfen entlang der jeweiligen Strecke.

Und zu guter Letzt: Kannst du dein Erlebnis auf der Venntrilogie in nur drei Worten beschreiben?

Unerwartet, unvergesslich, magisch.

 Venntrilogie_Abschnitt_1-3_01©Franziska_Consolati
 Venntrilogie_Abschnitt_2a_03©Franziska_Consolati
 Venntrilogie_Abschnitt_1-3_07©Franziska_Consolati

Über die Autorin

Franziska Consolati ist Autorin und Abenteurerin. In den Bayrischen Alpen aufgewachsen, lebt sie heute in Schweden. Auf ihrem Blog ins-nirgendwo-bitte.de berichtet sie von ihren Reisen und Abenteuern. 

Hier kannst du ihren zweiten Beitrag zur Venntrilogie lesen: ins-nirgendwo-bitte.de/venntrilogie

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